Die Thrash of the Titans Tour macht Station im Schlachthof Wiesbaden!
Es war mal wieder soweit – es ging in die, zumindest für mich, weltbeste Konzertlocation: den Schlachthof in Wiesbaden. Betitelt wurde die Tour, die wir besuchten, als die „Thrash of the Titans Tour“.
Das verspricht einiges, oder? Und das Line-up liefert dann auch: Legendäre Bands der Thrash-Szene wie TESTAMENT, DESTRUCTION, OBITUARY und NERVOSA werden an diesem Abend eindeutig die Halle zerlegen. Bis auf TESTAMENT habe ich tatsächlich noch keine der Bands, die hier spielen live gesehen – was das ganze natürlich noch attraktiver macht, nun hier zu sein. Auch haben TESTAMENT mit „Para Bellum“ ein neues Album an den Start gebracht – das muss man natürlich auch live hören.
Nachdem man draußen schon die ersten bekannten Gesichter getroffen hat, geht es dann auch direkt – mit etwas zu trinken – in die erste Reihe. Zumindest für mich, denn der Fotograf an meiner Seite positioniert sich derweil schon mal am heutigen Arbeitsplatz. Die Halle füllt sich schnell; ich würde sagen, nicht ausverkauft, aber sehr gut besucht. Viele Kutten sind zu sehen und von alt bis jung ist hier auch alles vertreten – so mag ich das.
Nervosa eröffnen den Abend des Thrash Of The Titans Abends in Wiesbaden
Nun geht auch endlich das Licht aus und das auf der Bühne an. Einzeln kommen die Damen der brasilianische Thrash-Metal-Band Nervosa unter lautem Jubel auf die Bühne und legen so gleich mit harten Riffs und melodischem Drumming einen gekonnten Start hin. Wenn dann Sängerin und Gitarristin Prika Amaral mit ihrer rostigen Stimme in die Menge brüllt, sind dann auch die letzten Augen auf die Bühne gerichtet.
Wir starten mit ‚Seed of Death‘ vom aktuellen Album „Jailbreak“. Ebenso ist auch das düstere und harte ‚Behind the Wall‘ vom aktuellen Album zu hören. Dann nimmt sich die Sängerin kurz Zeit, mit dem Publikum zu sprechen, und widmet im gleichen Atemzug den folgenden Song ‚Kill the Silence‘ allen Opfern von Missbrauch – ein Thema, das der Band sehr am Herzen liegt. NERVOSA spielt zwar nur ein 30-minütiges Set im Rahmen der Thrash Of The Titans Tour, aber sie nutzen wirklich jeden Moment davon und spielen mit Routine, Können und Leidenschaft. Ihr melodiöser und starker Mix aus Death und Thrash kommt besonders überzeugend rüber, durch zwei Songs aus „Perpetual Chaos“ (ihrem Album aus 2021). Darunter der gleichnamige Titeltrack – der mein persönlicher Favorit ist- nein, auch ‚Venomous‘, ein schnelles, schweres und kompromissloses Stück, das macht ordentlich Stimmung.
Hier zeigt Gabriela Abud am Schlagzeug eindrucksvoll, dass obwohl sie erst seit etwa einem Jahr dabei ist, längst Bestandteil von NERVOSA ist. Zum Abschluss ihres Sets kehrt die Band zurück zu „Jailbreak“ aus dem Jahre 2023, der Titeltrack sowie das Stück ‚Endless Ambition‘ sind das Finale zu einem Auftritt der eindeutig zeigt das NERVOSA zurecht Teil dieser Tour ist.
Destruction ziehen bei den Thrash Of The Titans nach
Als Nächstes ist es Zeit für geballte deutsche Thrash-Power – DESTRUCTION, ein Teil der legendären „Big Teutonic 4″, betreten die Bühne. Kaum erklingen die ersten Töne, wird klar, warum die Band seit Jahrzehnten zu den prägenden Kräften des Genres zählt. Schmier und seine Band betreten die Bühne mit dem Klassiker ‚Curse the Gods‚ aus meinem Geburtsjahr 1986 – und sofort bewegt sich auch in der Halle etwas: Es formt sich einer von vielen Moshpits des Abends. Ich schaue mir das ganze lieber von der Seitelinie an.
Ohne große Verschnaufpause stürzt sich DESTRUCTION direkt in das schnelle und rotzige ‚Nailed to the Cross‘, und hier stimmen auch hunderte Kuttenträger mit ein, während sie ihre Faust mit Wucht und unterstützend nach oben reißen. Dann überrollt man uns mit dem moderneren, aber genau so wütend klingenden ‚Scumbag Human Race‘ – cleveres Songwriting mit der Energie einer Band, die den Thrash nicht nur spielt, sondern nach all den Jahren immer noch mit Leidenschaft lebt. Beim absoluten Fan Favoriten ‚Mad Butcher‘ dreht die Menge dann komplett durch: messerscharfe Riffs, eine hämmernde Bassline sowie die kraftvolle Stimme von Schmier geben einem das Gefühl von Nostalgie und purem Chaos.
Man sollte meinen, DESTRUCTION würde jetzt ein wenig herunterfahren, oder? Da habt ihr euch aber geirrt, die antiautoritäre und anklagende Hymne „No Kings No Masters“ hallt durch die Halle mit einer unheimlichen Energie. Was bei einem Konzert der Band nicht fehlen darf, ist natürlich ‚Thrash ‚til Death‘ (passend für den heutigen Abend, findet ihr nicht?). Hinzu kommt das unerbittliche Doublebass Drumming von Randy sowie diese messerscharfe Präzision der Gitarren von Damir und Furia.
DESTRUCTION beenden ihr Set – wie ich empfinde, perfekt – mit einem Song aus ihrem aktuellen Album „Birth of Malice“, der passenderweise ‚Destruction‘ heißt. 40 Minuten lang hat das Publikum im Schlachthof einen unerbittlichen Thrash-Angriff erlebt. Nach all dem Headbangen fühle ich mich schon ein wenig erschöpft, doch dann wird mir bewusst: Es folgen noch zwei Bands – und die sind nicht gerade dafür bekannt, es langsam angehen zu lassen. Schlafen können wir an einem anderen Tag!
Ab in die nächste Runde mit Obituary bei den Thrash Of The Titans!
Nach zwei kräftezehrenden Auftritten liegen nun noch zwei Bands vor uns – und die Bühne gehört nun den Death-Metal-Veteranen OBITUARY aus Florida. Schon mit den ersten Takten der Instrumental Hymne ‚Redneck Stomp‘ explodierte der Schlachthof in einer schweren, wuchtigen Soundkulisse: die Instrumente drückten, das Publikum tobte, und jeder Ton schien direkt unter die Haut zu gehen.
Zum 30-jährigen Jubiläum ihres Klassiker Werk „Cause of Death“ wurde die Setlist eben stark von diesem Album beeinflusst, doch zuerst gab es für uns dann noch zwei Songs aus dem selbst betitelten Longplayer „Obituary“ aus 2017 – ‚Sentence Day‘ und ‚A Lesson in Vengeance‘ – sowie ‚The Wrong Time‘ aus dem aktuellen Album „Dying of Everything“ (2023). Der Song beweist eindrucksvoll, dass die Band nach über vier Jahrzehnten nichts von ihrer rohen Power verloren hat. OBITUARY zeigen, wie Death Metal heute klingen muss: präzise, gnadenlos und mit dieser unverwechselbaren Mischung aus Wucht und schwerem Groove, die jedes Pit in Bewegung setzt. So wie man sich Thrash Of The Titans vorstellt!
Nun kommen wir zu dem Part, auf den viele Obituary-Fans sicherlich sehnsüchtig gewartet haben: die Hommage an „Cause of Death“ (1990). Ohne große TamTam legt die Band direkt los mit ‚Infected‘. Das bedrohlich wabernde und schwere Tempo des Songs veranlasst nicht nur mich, die lange Mähne schwingen zu lassen. Trevor Peres sowie Kenny Andrews‚ Riffs haben hier eine unglaubliche Durchsetzungskraft, sodass sie sich nach vorne spielen, aber im schon erwähnten Soundteppich nicht unangenehm auffallen – eine Symbiose eben.
Die markante, gutturale Stimme von John Tardys klingt einfach genauso kraftvoll und bedrohlich wie sie es schon vor 30 Jahren getan hat. Ich hätte mich so geärgert, wäre ich heute nicht hier gewesen um das zu erleben. Das Momentum setzte sich mit dem brutalen Doppelschlag aus ‚Body Bag‘ und ‚Dying‚ fort. Das charakteristische, markante Riff von ‚Body Bag‘ riss das Publikum sofort mit, während ‚Dying‘ eindrucksvoll zeigte, wie meisterhaft Obituary den Wechsel zwischen schleppend-düsteren Passagen und plötzlichen Temposchüben beherrscht. Ein Paradebeispiel für die Dynamik, die ihre Musik seit Jahrzehnten so unverkennbar macht.
Hier möchte ich auch nochmal hervorheben, wie sehr die Band das Publikum im Griff hat: die Band schleudert uns ihre Energie entgegen und wir geben sie genau so wieder an sie zurück. Habe ich gesagt ich bin müde? Tja – davon merke ich jetzt nichts mehr. Der Titelsong ‚Cause of Death‘ kommt mit einer ordentlichen Portion Aggression daher – die eindringliche, fast bedrohliche Einleitung mündet in eine vernichtend schwere, komplexe Klangwand, die einmal mehr die technische Präzision und das unnachahmliche Gespür für Groove der Band unter Beweis stellt. Als unerwartete, aber umso willkommenere Zugabe folgt eine kraftvolle, authentische Interpretation des CELTIC-FROST-Klassikers ‚Circle of the Tyrants‘, den OBITUARY dank John Tardys markerschütterndem, körperlich spürbarem Gesang vollständig zu ihrem eigenen machen.
Den Abschluss der „Cause of Death“-Hommage bildet ‚I’m in Pain‘ vom 1992er Album „The End Complete“, bevor die Menge ein letztes Mal all ihre verbleibende Energie mobilisiert – denn als die unverkennbaren ersten Töne von ‚Slowly We Rot‘ vom gleichnamigen Debütalbum von 1989 erklingen, gibt es endgültig kein Halten mehr. Was folgt, ist ein chaotischer, zugleich grandioser Höhepunkt des Abends: eine absolute Death-Metal-Hymne, deren bedächtiges Tempo und Tardys qualvoll klingender Gesang den Schlachthof in Wiesbaden in ein Meer aus Emotionen verwandeln.
Die Band schien jeden Moment ihrer Show auszukosten. Trevor, Terry, Kenny – und selbst John – warfen unzählige Plektren in die erschöpfte, aber jubelnde Menge, bevor Donald Tardy hinter seinem Schlagzeug hervorkam, um seinen wohlverdienten Ehrenrundgang zu drehen und seine Drumsticks ins Publikum zu schleudern. Der Applaus wollte kein Ende nehmen – die Fans feierten mit OBITUARY die dritte Runde des Abends der Thrash Of The Titans – zurecht wie die Legenden, die sie sind.
Kurz Durchatmen
Dieses Line-up heute oder? Mein Energielevel ist irgendwo zwischen „Ich will mehr“ und „Wo ist das nächste Sauerstoff Zelt“ – und wenn man sich hier so in der Halle umschaut, sehen die Leute auch ziemlich zufrieden aus. Wie könnten sie es auch nicht sein? Natürlich hört man, wie auf fast jedem Metalkonzert, den ein oder anderen Metalhead, der meint „dass Band XY im Jahre Anno dazumal besser war“ aber es würde sich fast falsch anfühlen, wenn sie nicht zugegen wären. Wie ich vom Fotografen meine Vertrauens hören konnte, wird es wohl auch Pyro geben. Ich zweifel langsam die Wahl meines Outfits an, da es nun ohnehin zu spät für Überlegen und Meckern ist, kommen wir nun erneut zu den wichtigeren Dingen: zur Musik.
Mit Testament findet der Abend der Thrash Of The Titans ein würdiges Ende
Den krönenden Abschluss dieser intensiven und energiegeladenen Nacht voller Thrash- und Death-Metal bildet keine Geringere als die legendäre Bay-Area-Band TESTAMENT. Schon während sich das riesige Banner vor der Bühne entfaltet, spürt man die Spannung in der Menge steigen. Das Publikum rückt enger zusammen, die ersten Pfiffe und Rufe nach den Thrashern aus Kalifornien hallen durch den Raum – und werden immer lauter. Dann beginnt das markante Intro von ‚D.N.R. (Do Not Resuscitate)‘ aus den Boxen zu dröhnen, die Lichter werden gedimmt – und im nächsten Augenblick fällt das Banner. Was folgt, ist ein explosiver Auftakt: TESTAMENT betreten die Bühne mit einer Wucht, die das Publikum augenblicklich in Bewegung versetzt.
Mit einer unheimlichen Präzision feuern sie die ersten Riffs ins Publikum – schnell, hart, ungebremst. Der Pit reagiert sofort: Ein tobender Circle Pit entsteht und stehst du nicht unbedingt am Rand, dann halte dich gut fest, sonst bist du mitten drin. Das ist ein Einstieg in den letzten Act des Abends, wie man ihn sich wünscht, explosiv. Als nächstes folgte der moderne Brecher ‚WWIII‘, bei dem die Band ihre tödliche Kombination aus kompromissloser Brutalität und technischer Finesse eindrucksvoll unter Beweis stellt.
Besonders die beiden Gitarristen Eric Peterson und Alex Skolnick lieferten sich ein musikalisches – nennen wir es – Duell, das die Gegensätze der Band perfekt hervorstehen lässt: Peterson übernahm mit seinem schweren, und treibenden Rhythmusspiel die Rolle des Soundfundaments, während Skolnick mit seinen filigranen, emotional aufgeladenen und hervorragenden Soli nicht nur einen Höhepunkt setzte. Wie Zahnräder in einem gut geölten Uhrwerk, so arbeiten auch diese beiden Gitarristen zusammen – nicht nur vom Technischen wunderbar, diese Intensität geht auch unter die Haut.
TESTAMENT führt uns schnell in die Anfänge ihrer Karriere mit dem schon fast hymnisch anmutenden ‚Practise what you Preach‘, und dem unerbittliche krachenden ‚Sins of Omission‘ – klassischer Oldschool-Thrash aus 1989. Chuck Billy ist einfach eine Erscheinung, wenn er sich vor dem Publikum aufbaut und mit seiner kräftigen gutturalen Stimme ins Mikrofon brüllt. Bekomme ich das Gänsehaut? Absolut. Die Setlist zeigt uns die Breite des Repertoires der Band – so ziemlich jedes Album von TESTAMENT ist hier vertreten.
Weiter geht es mit dem kraftvoll lodernden Groove von ‚Native Blood‘, das wie ein Schlachtruf durch die Halle fegt. Dem folgt gleich das emotional aufgeladenen und sehr düstere ‚Trail of Tears‘ (eines meiner absoluten Lieblingslieder). Weiter geht es dann mit dem Album „Low“ aus dem Jahre 1994. Davon präsentierte man uns den Titeltrack, der einem abermals ein wohliges Gefühl von Nostalgie – mit Wucht – ins Gesicht schlägt. Und dann passiert es: ausgelassenes Headbangen, und meine Beine geben nach. Mit einem Male merke ich: Nein, da stimmt was nicht – mal lieber an die frische Luft. Ärgerlich? Absolut. Aber es könnte schlimmer sein. Denn wir haben ja hier den allergrößten Teil dieses immensen Abends der Thrash Of The Titans Tour verfolgen dürfen. Also bin ich zufrieden.
Als ich dann auf dem Weg von der Garderobe war, habe ich dann noch mir bekannte Gesichter getroffen und bin dann auf dem Weg nach draußen nochmal am Merch Stand vorbei – mit Bankkarte schon in der Hand wohlgemerkt. Aber: Ich habe es daran vorbei geschafft! Die kühle Luft draußen tut wirklich gut. Entfernt, kann man von Draußen noch die wohlbekannten Töne von ‚More Than Meets the Eye‘ vernehmen, ein weiterer moderner Klassiker der Band. Wir entscheiden uns dann doch früher nach Hause zu fahren.
Was halten wir nun von diesem Abend und dieser Thrash Of The Titans Tour?
Mann muss sie erlebt haben. Ich würde jedem raten, diese Zeitreise einmal selbst zu erleben. München und Oberhausen stehen im Oktober noch auf dem Tourplan. Schaut vorbei und sichert euch euer Ticket!
Fotos: Kevin Richter
Text: Jenny Richter










